Über die Einsamkeit Gottes

 

Ich

Ich bin Gott.

Und ich bin allein.

Ich habe nur die Menschen als Spielzeug.

Gelegentlich hetze ich die Juden aufeinander und sehe ihnen dabei zu, wie sie verbluten und in ihren Köpfen und gegeneinander Gefechte ausfechten über die Existenz eines höheren Wesens, das ich bin. Dies gibt mir ein fernes Gefühl von Lebendigkeit. Doch wie oft ich es auch zu intensivieren suche, es bleibt fern und ungreifbar. Ich bin Gott, und ich bin allein. Wenn ich mich selbst erschaffen habe, muß ich verrückt gewesen sein, und ich hasse mich abgrundtief für die Möglichkeit, dies könne so gewesen sein.

Ich hetze euch auf die Schlachtfelder: Ich will euch sterben sehen. Zerfleischt eure Körper, zeigt mir euer Blut, das rohe Fleisch. Ich habe mich nicht selbst erschaffen! Eure nackten toten verwesenden Körper lassen mich ahnen, daß ich starb und geboren wurde und starb und geboren wurde

Sattsehen, mich sattsehen an der Hoffnung...

Ich will eure Köpfe zersplittert, die Körper durchbohrt sehen, Pfeile durch eure Augen, Beile durch eure Schädel, Haken und Drähte durch alle erdenklichen Öffnungen in euren Körpern, schafft neue, bohrt euch an jeder erdenklichen Stelle hinein in die Körper, reißt auf, reißt auf, zerreißt eure Körper; ich will sehen, wie das Körperlos Lebende aus euch entweicht. Ich will sehen, daß ich es nicht bin, der in euren Körpern ist, nur ihr selbst; in euren Körpern.

Wo ist mein eigener Körper dann, frage ich mich. Wo bin ich selber?

Die alten Götter waren andere. Nicht allein. Oh, wie ich Zeus beneide, den vielgestaltigen: In allen erdenklichen Formen ging er zur Erde, in allen erdenklichen Variationen nahm er sich, was die Erde ihm gab. Oh, ihr Frauen! Mir sollt ihr untertan sein bis auf den jüngsten Tag, weil ich euch nicht kann bezirzen, besteigen, begatten, beflügeln, beglücken, begehren. Ich bin nur Gott. Und ich bin nur allein. Da ist nichts sonst in der Weite des Alls als mein sphärisches Wesen. Meine Worte. Meine Fäden, die Schicksale weben. Selbst die Nornen: Zu dritt hockten sie um die Weltesche und webten die Welt. Und älter als sie war der Baum.

Ich bin Gott, und da ist kein Baum und kein Strauch und kein Wesen außer mir.

Ich habe die Welt erschaffen, und siehe! die Welt lebt. Ich habe mich selbst erschaffen, und siehe! ich bin ein Gespenst, ein Schemen, ein Muster, ein Gedanke, ein Ausbruch von Bildern, die körperlos bleiben; von machtlosem Feuer im Nebel, im kalten Tod. Ich brenne nicht, ich hasse leer und kalt.

Ich habe mich nicht erschaffen! Ich schreie. Ich bin nur die Idee des Unerschaffenen. Doch wer bin ich dann?

Ich will zu den Menschen gehen und Leben zeugen. Bin ich kleiner als Zeus? Ich will ihnen ein Kind geben und mir einen Sohn. Der geschaffen ist und nach mir kommt.

Nicht Wer

Er hat am Kreuz nur geklagt. Ich konnte es nicht lassen, ihn leiden zu sehen. Er lebte so sehr. Ich war neiderfüllt, neidisch und tollkrank vor Neid.

Ich will ihn wieder entrücken; ich ertrage sein Leben nicht. Er wird mich dann überleben. Glaubt nicht, mir selbst zu begegnen am Tag des Gerichts. Der Menschensohn wird kommen, und es wird des Menschen Gerechtigkeit sein an diesem Tag, die von Fleisch und Blut, von Schmerzen und Leid - und von der Freude und Lust eurer Körper gelernt hat, was sie gegen mich vorzubringen vermag. Und so werdet ihr, die ich euch zu meinem Vergnügen geschaffen habe, über mich zu Gericht sitzen. Muster und Struktur.

Ich werde unter euch sein am Tag des Gerichts. Vergebt mir, wenn ihr könnt. Ich werde lernen zu spielen: mit mir, nicht mit euch. Mein Schmerz wird der Eure sein, meine Wunden die Euren, meine Freude die Eure. Ich bin das Kind, euer Schützling und Gott.

Ich bin nicht mehr Gott. Was bin ich?

Ein Fleisch, ein Körper, ein Geist...

Kein Mensch! Keins dieser Würmer. Bin ich Mensch Gott?




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