Ergänzendes zum Marktleiter



Sämtliche Elemente der Grafik tauchten zunächst als rasche Ideen in meinem Kopf auf, denen ich erst danach eine Begründung beigab, wie etwa im Absatz über das "Modell der Darstellung". Somit war die "Wahl des Modells der Darstellung" zunächst eine unbewußte!

Am "Marktleiter" hatte ich dann kräftig zu knabbern. Ist der beworbene Jesus der Chef des religiösen Spezialgeschäftes - im Gegensatz etwa zum aus evangelikaler Sicht gerne kritisierten "Gemischtwarenladen" der Kirchentage? Soll hier nicht eher das "Produkt Jesus" verkauft werden? Daraus ergab sich kurzfristig der Alternativsatz "Jesus ist kein herrliches Produkt."

Doch ich fand zum "Marktleiter" zurück. Denn wir sollen uns alle in seine Obhut begeben. Er soll der Boß sein, unbefragbar, der gütige, wissende Chef des Ladens, Inbegriff sozialkapitalistischen fürsorglichen Unternehmertums. Und unsere Aufgabe dann wird sein, die Produkte der Firma weiterzuverbreiten, überzeugend, eloquent. Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid mit den minderwertigen Gütern aus den Supermärkten. Denn ich will euch erquicken mit dem Glanz der wahren Ware, die ihr rasch und günstig erwerben könnt, so ihr nur zu einem Abonnement bereit seid, ergo euch mir übergebt.

Ich gebe zu, daß ich hier massiv sarkastisch werde. Der "Marktleiter" arbeitet in mir. Aber ich finde mich in meiner Boshaftigkeit bestätigt, wenn ich mir die Zitate von Michael Herbst aus dem "Welt"-Text aufs Neue vor Augen führe. Der Kälte dieser Marketing-Sätze habe ich eine Art Wärme zugesellt, wie ich sie in der direkten Ansprache durch evangelikale Mission vorfinde, und diese gleichzeitig ironisiert. Mir scheint, da gehört etwas vertrackt zusammen.

Herbst spricht davon, daß er wie einst Luther "dem Volk aufs Maul schauen wolle", aber wenn dann nach "Kontaktflächen" gefragt wird, die die Kirche mit den Konfessionslosen noch habe, wenn behauptet wird, wer Antworten auf Fragen suche wie die, was die Konfessionslosen wirklich bewege, "kommuniziert automatisch verständlich" - dann finde ich hier nicht einen Martin Luther, der voller Leidenschaft die Bibel ins Deutsche übersetzte, sondern einen Kirchenherrn, der auf Fragen, für die auch die Kirche keine einfachen Antworten haben kann, ungerührt gefeilte Antworten in Techno-Speak erwägt.

Ich bin mit dem "Marktleiter" selber noch nicht fertig, das gestehe ich gerne ein, und vermutlich tue ich Michael Herbst auch unrecht. Das bleibt eine weitere ungelöste Frage. Doch, es gibt noch viele ungelöste Fragen!